Raum der Bewegung

Jede Interaktion bedeutet die Aufnahme von Eindrücken und Wahrnehmungen, die mitunter unser Inneres in Bewegung versetzen und nach Ausdruck suchen.

Seit 2012 beobachte ich ausgesuchte Weinstöcke in einem Weingarten auf dem Wiener Kahlenberg. Wieso Weinstöcke? Für die Menschen hier sind Weinstöcke sehr alltäglich. In meiner Heimat Ulsan (Südkorea) hingegen, hatte ich nie einen Weingarten gesehen. Als man mir eines Tages, im Jahr 2011, das Foto eines Weinstocks zeigte, war ich fest entschlossen, einen solchen Weinstock in Wirklichkeit zu sehen. Meine erste Begegnung fand an einem äußerst nebeligen Tag statt. Man sah nicht weiter als einen Meter und aus der Ferne betrachtet, waren die in Reih und Glied stehenden Weinstöcke kaum voneinander zu unterscheiden. Ich begab mich in den Weingarten und betrachtete jeden einzelnen Weinstock, indem ich sehr langsam durch die Reihen schritt. Bei einem bestimmten Weinstock hielt ich inne, ohne zu wissen warum. Irgendetwas an seiner knorrigen Form zog mich in seinen Bann. Von diesem Tag an kehrte ich regelmäßig in den Weingarten zurück. Es war der Beginn einer Auseinandersetzung, die mich bis heute nicht losgelassen hat.

Die Regelmäßigkeit und die Dauer der Auseinandersetzung ermöglichten, etwas wie eine Beziehung zwischen mir und den ausgewählten Weinstöcken, eine Beziehung mit klarer Rollenverteilung: Die Weinstöcke erzählen ihre Geschichten, ich bin ihr Zuhörer. Aus der Ferne kaum voneinander unterscheidbar, offenbaren die einzelnen Weinstöcke aus der Nähe betrachtet eine Individualität und Lebendigkeit, die die ruhig und eingefroren wirkende Umgebung in Schwingung versetzt. Durch meine Beobachtungen entsteht vor meinen Augen jener Raum der Bewegung, der den Ausgangspunkt für meine Malerei darstellt.